Selbst die chinesischen Börsen, die zunächst deutlich unter Druck gerieten, erholen sich wieder. Der Shanghai Composite, der wichtigste chinesische Aktienindex, und der Hongkonger Hang Seng Index haben seit Jahresanfang nunmehr lediglich zwei bzw. drei Prozent verloren. Ansonsten geht’s von Allzeithoch zu Allzeithoch. Die US-Technologiebörse Nasdaq legte seit Anfang des Jahres acht Prozent zu. Schwarze Schwäne sind nun einmal äußerst selten. Oder?
SARS vs. Covid-19
Ein wenig Skepsis kann nicht schaden, zumal das Coronavirus jedenfalls wirtschaftliche Folgen haben wird – und zwar womöglich weit über die Grenzen Chinas hinaus. Die deutsche Bundesbank meldete sich kürzlich warnend zu Wort: „Die Wachstumseinbußen könnten spürbar höher ausfallen als während der SARS-Epidemie von 2002/2003, bei der die Zahl der Infizierten deutlich kleiner war und die Behörden weniger rigoros reagiert hatten.“ Durch SARS waren 2002/2003 insgesamt 774 Menschen ums Leben gekommen. Die Pandemie kostete die globale Wirtschaft etwa 50 Milliarden Dollar. Die aktuelle Coronavirus-Pandemie forderte bereits mehr als 2000 Tote, die Zahl der Infizierten lag zuletzt bei etwa 75.000.
Warum aber sollte die Wirtschaft unter dem Coronavirus leiden? Ein Beispiel lieferte
: Der iPhone-Konzern gab eine Umsatzwarnung für das erste Quartal heraus. Die Ziele dürften aufgrund des Coronavirus verfehlt werden. Und was für Apple gilt, kann auf Makro-Ebene auch Deutschland treffen: Schließlich ist China Deutschlands wichtigster Handelspartner.Christoph Neemann ( MinusSinus ), der das erfolgreiche wikifolio Minus Sinus Value Select verwaltet, erklärt: „Die Ausbreitung des Coronavirus hat zwei große Dimensionen für die Weltwirtschaft: Durch das Cocooning – die Leute bleiben zu Hause, das öffentliche Leben kommt zum Erliegen – und die damit verbundene Unsicherheit halten die Menschen Konsumentscheidungen zurück.“ So wird laut Neemann insbesondere die Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern vermutlich zurückgehen. Aber auch Produkte des täglichen Bedarfs könnten betroffen sein. Was aktuell auf China beschränkt sei, könne sich bei einer internationalen Pandemie durchaus in anderen Volkswirtschaften zeigen. Darüber hinaus gibt es noch einen zweiten Aspekt, so der Trader: „Die Wertschöpfungsketten sind soweit internationalisiert, dass Produktionsstopps in China die Zulieferung wesentlicher Komponenten in zahlreichen Industrien betreffen können – angefangen von der Automobilproduktion, über Maschinen- und Anlagenbau, bis hin zu elektronischen Produkten oder Pharma-Wirkstoffen.“
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Konjunkturdelle oder wirtschaftliches K.O
Auf eine BIP-Prognose will sich Neemann erwartungsgemäß nicht festlegen: „Ob wir hier nun eine kleine Wachstumsdelle – global und in Deutschland – oder eine handfeste Rezession sehen werden, ist angesichts der unklaren Faktenlage in China kaum zu sagen.“ Ein K.O. für die Wirtschaft werde es vermutlich aber nicht werden, vorausgesetzt die Daten zu Ansteckungswegen und Mortalitätsraten aus China seien korrekt und die Unsicherheit nehme nicht weiter zu.
Luca Angelastri, der für die Vermögensverwaltung PR1ME Aquila Partners ( PR1ME ) verantwortlich für das wikifolio Schweizer Prime Aktien zeichnet, ist vorsichtig: „Der Ausbruch des Coronavirus hat sich auf die wirtschaftliche Aktivität in ganz Asien und darüber hinaus ausgewirkt. Aus diesem Grund glauben wir, dass der Handel und die globale Produktion in den nächsten Monaten erneut einen Abschwung erleben werden. Betroffen sind aber auch Fluglinien oder der Tourismus. Natürlich sieht man auch in Deutschland die Folgen des Coronavirus. Die Volkswirtschaft hat null Prozent Wachstum und die Wachstumsschwäche Chinas führt dazu, dass deutsche Exporteure ein ziemliches Problem haben. Der Automobilsektor in Deutschland ist aus mehreren Gründen schon vor dem Ausbruch unter Druck gewesen.“
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Kurzum: Das Coronavirus könnte die Lage für die deutsche Wirtschaft noch schwieriger machen als sie ohnehin schon ist. Diese Einschätzung teilen auch die beiden wikifolio-Trader Dirk Fechner ( Wertinvest ) und TraderOnkel Axel Albietz. „Bis jetzt ist nicht absehbar, wie lange China in Teilen als Produzent und Konsument in der Weltwirtschaft ausfallen wird. Es kann durchaus zu einer Konjunkturdelle in Deutschland kommen, bei der einige Unternehmen ihre Prognosen verfehlen könnten“, so Albietz. Zu spüren bekam das Coronavirus zuletzt zum Beispiel auch , dessen China-Geschäft auf Monatssicht drastisch einbrach.
„Buy the Dip“
Warum lassen sich die Börsen nun aber von den trüberen Konjunkturaussichten nicht beeindrucken? Fechner sieht die Ursache in der Politik der Notenbanken: „Die Märkte reagieren zurzeit nicht mehr auf schlechte Nachrichten. Meiner Meinung nach wird der Markt durch die enorme weltweite Liquidität getrieben. Das könnte noch weiter gehen, auch wenn sich die Krise verschärft.“ Albietz ergänzt: „Die Volatilität kann sich je nach Nachrichtenlage stark erhöhen. Allerdings scheinen die Märkte momentan sehr robust und Rücksetzer werden meist zügig aufgekauft.“ Das habe sich auch an der Prognoseanpassung von Apple gezeigt, die die Börsen erstaunlich gut weggesteckt haben.
Anleger sollten laut Albietz dennoch vorsichtig sein, da die Börsen im letzten und auch in diesem Jahr schon sehr gut gelaufen seien. „Sollte der Wind drehen, wäre ein höherer Cash-Bestand als sicherer Hafen durchaus angebracht“, summiert er. In seinem wikifolio AA+ Master-Trading ohne Hebel hat er dies bereits umgesetzt: „Die Cash-Quote versuche ich aktuell im Bereich von 20 bis 30 Prozent zu halten, um auf alle möglichen Szenarien vorbereitet zu sein. Vor dem Coronavirus lag sie eher bei 10 bis 15 Prozent.“ Flexibilität ist also das A und O.
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Defensive Ausrichtung mit mehr Cash und Gold
Trader-Kollege Dirk Fechner nimmt in seinem wikifolio keinerlei Anpassungen aufgrund des Coronavirus vor. Muss er auch nicht, schließlich hält er in Real Value aktuell ausschließlich die Aktien von Gold- und Silberproduzenten. Sein Musterdepot ist im Prinzip also schon auf Krise getrimmt, auch wenn eine Pandemie nicht der Grund dafür war: „Ich erwarte große Probleme im globalen Währungssystem, die durch die ausufernde globale Verschuldung der Staaten, Privatpersonen und Unternehmen verursacht werden. Diese wachsende Verschuldung reduziert kontinuierlich die Kaufkraft der Währungen. Einen Erhalt der Kaufkraft kann man nur mit Gold erreichen. Eine gehebelte Wette auf diese Entwicklung ist der Kauf von Goldminenunternehmen.“
Das wikifolio dürfte indirekt sogar vom Coronavirus profitieren: Die Suche nach sicheren Häfen hat den Goldpreis in den vergangenen Wochen deutlich anziehen lassen. Zuletzt kostete eine Feinunze gut 1610 Dollar – so viel wie seit Anfang 2013 nicht mehr.
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Vorsichtig agiert auch Christoph Neemann in seinem wikifolio Minus Sinus Value Select – aber ebenfalls unabhängig vom Coronavirus: „Ich habe aktuell eine gesunde Skepsis hinsichtlich der Bewertungsniveaus an weiten Teilen des Marktes und bin ohnehin schon mit fast 30 Prozent Cash und 15 Prozent Goldminenbetreibern sehr defensiv aufgestellt. Ob das Coronavirus nun das Ereignis sein wird, dass einen 10-jährigen Bullenmarkt beendet, ist vermutlich nicht objektiv zu beantworten, sondern eher sentiment- als faktengetrieben.“
Warten auf die Schnäppchenjagd
Vermögensverwalter Luca Angelastri lässt – bei aller Dramatik – die Kirche im Dorf: „In wahrscheinlich zwei bis drei Quartalen wird das Coronavirus vergessen sein. Die Rückschläge, die wir in den nächsten ein bis zwei Monaten sehen werden, werden von eher kurzfristiger Natur sein. Danach sollten sich die Märkte und Börsen erholen.“ Anleger sollten laut Angelastri mit einem Teil des Vermögens ohnehin immer in sicheren Häfen investiert sein. Dazu zählt er Edelmetalle, aber auch Schweizer Qualitätsaktien. Und, so Angelastri: „Bei übertriebenen Kurskorrekturen sollte man nachkaufen.“
Von ebendiesen fehlt aber aktuell noch jede Spur, sofern man nicht unbedingt auf chinesische Fluglinien zurückgreifen möchte. Letzten Endes ist aber sowieso nur eines wirklich wichtig, summiert Neemann: „Ich hoffe, dass das Coronavirus in seinem Einfluss auf uns Menschen eingegrenzt werden kann – das ist mir Rendite genug.“
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