„Sell in May“ – Mythos oder Realität?
Die Aktienmärkte haben einen fulminanten Start in den Mai hingelegt. Viele Experten sind der Meinung, dass die im Januar begonnene Korrektur damit nun endgültig erledigt ist und bald schon neue Jahreshochs markiert werden. Für Freunde der Börsenregel „Sell in May“ wären das keine guten Nachrichten. Denn diese wären nämlich bereits Ende April aus den Märkten ausgestiegen und würden erst im Spätherbst wieder dorthin zurückkehren. Hintergrund dieser Strategie ist, dass sich viele Aktienindizes zwischen November und April historisch betrachtet deutlich besser entwickelt haben als in den „Sommermonaten“. Der DAX zum Beispiel ist seit der offiziellen Einführung vor 30 Jahren in den sechs „guten“ Monaten im Schnitt um zehn Prozent gestiegen, während in der „schlechten“ Phase nur ein Plus von weniger als einem Prozent erzielt wurde.
Einzelne Ausreißer bestimmen die Bilanz
Diese Underperformance liegt aber vor allem an zwei Monaten: August und September. Hier gab es bislang überdurchschnittlich viele Kurseinbrüche. Deshalb wird die „Saison-Regel“ von vielen Anlegern mittlerweile auch anders interpretiert und angewendet. Doch selbst eine Auszeit in den beiden „schwächsten“ Monaten hätte in vielen Fällen nicht den erhofften Erfolg gebracht. In immerhin 15 der 30 Jahre sind die Kurse nämlich auch von Anfang August bis Ende September gestiegen.
Florian Schaumann aka Dottore, der das wikifolio „Vision. Courage. Patience. verwaltet, hält deshalb auch wenig davon, bei der Geldanlage auf die Saisonalität zu achten. Er verweist vor diesem Hintergrund auf Studien, die noch deutlich längere Zeiträume berücksichtigen: „Wissenschaftler der australischen Universität von Queensland und der amerikanischen UC Berkeley haben die ‚Sell in May‘-Regel von 1927 bis 2015 untersucht und konnten keinen statistisch belegbaren Unterschied in Bezug auf schwächere Aktienmärkte im Zeitraum von Mai bis Oktober feststellen“.
Gute Vorgaben für 2018, aber keine Garantie
Der ebenfalls bei wikifolio.com aktive Trader Jörg Eickhoff, der als „eicki“ die Gestaltung des Musterdepots „Deutsche Momentum-Aktien“ verantwortet, sieht die während der Sommermonate nachlassenden Handelsvolumina auf der Nordhalbkugel als möglichen Grund, warum die Kurse beim DAX hier überdurchschnittlich oft einbrechen: „Schlechte Nachrichten können in diesem Umfeld stärkere Auswirkungen haben als bei einem sehr regen Börsenhandel“. Zur Anwendung kommt die Regel bei ihm dennoch nicht. Für das laufende Jahr sieht er sogar einen statistischen Vorteil: „In Jahren, die wie 2018 schlecht gestartet sind, war die Performance ab Mai besser als in Jahren, wo es gut losging“. Der DAX hat in diesem Jahr von Anfang Januar bis Ende April 2,4 Prozent an Wert eingebüßt.
Eine konkrete Prognose zur weiteren Entwicklung will er daraus aber nicht ableiten und zitiert Mark Twain: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“. Zur Untermauerung dieser These verweist der Trader auf eine Analyse der Sutor Bank von Ende 2016, in der die durchschnittlichen Vorhersagen von Analysten für den DAX in den vergangenen 20 Jahren mit dem tatsächlichen Stand des Index verglichen und „gewaltige Abweichungen“ festgestellt wurden.
Diese Börsenregel hat wirklich Substanz
Anlegern rät er deshalb zu „regelbasierten Anlagestrategien und dazu, das gewählte Regelwerk konsistent durchzuziehen“. In Sachen „Börsenregeln“ gefällt ihm dabei unter anderem die durch zahlreiche Studien untermauerte Aussage „The trend is your friend“, die darauf abzielt, dass sich ein bestehender Trend in der Regel noch eine Weile fortsetzen wird. Allerdings muss eine darauf ausgerichtete Strategie seiner Meinung nach auch zum Risikoprofil des jeweiligen Anlegers passen. Für etwas konservativere Anleger eignen sich an den Aktienmärkten laut Eickhoff eher längerfristig ausgerichtete Dividenden-Strategien. Womit wir wieder beim Thema Saisonalität wären, denn gerade jetzt im Mai schütten viele Unternehmen ihre Gewinnbeteiligungen an die Aktionäre aus.
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