An der US-Technologiebörse Nasdaq bleibt kein Stein auf dem anderen. 30 Prozent haben Tech-Aktien seit ihrem Hoch im Schnitt verloren - manche Titel sogar deutlich mehr. Die Volatilität bleibt angesichts der unsicheren Aussichten für die Wirtschaftsentwicklung hoch. Wir haben mit Tech-Investor Stefan Waldhauser über die aktuelle Marktlage gesprochen und wollen von ihm wissen, wie er bei der Bewertung von Technologie-Aktien für sein wikifolio High-Tech Stock Picking vorgeht. Viel Spaß dabei!
Um die attraktivsten Einzeltitel finden zu können, braucht es zunächst ein Anlageuniversum. Wie sieht das Anlageuniversum aus, mit dem Du arbeitest?
Stefan Waldhauser ( stwBoerse ): Mein Anlageuniversum für das wikifolio High-Tech Stock Picking besteht aus ca. 3.500 Aktien vor allem aus der westlichen Welt mit einer Marktkapitalisierung ab ca. einer Milliarde Dollar. Aufgrund der politischen Unsicherheiten investiere ich derzeit nicht (mehr) in China.
Wie findet man denn aus dieser riesigen Masse an Titeln die Passenden für ein Investment? Gibt es da besondere Kennzahlen, die Du Dir anschaust?
Glücklicherweise habe ich mit dem aktien.guide ein mächtiges Tool, das mich mit einer täglich aktualisierten Kennzahlenanalyse unterstützt. Bei dieser HGI-Analyse (High-Growth-Investing) geht es um die Bewertung der Aktien (gemessen am EV/Sales-Verhältnis) im Vergleich zum Wachstum, aber auch um die Profitabilität des Geschäftsmodells (gemessen an der Bruttomarge), den Verschuldungsgrad oder die mit dem Rule-of-40-Score gemessene Effizienz des Wachstums. Die Aktien mit den besten Kennzahlen erscheinen dann auf der HGI-Topscorer-Liste, die ich als “Radarschirm” in meinem Investment-Prozess benutze.
Dürfen dann einfach jene Aktien ins Depot, die über alle Werte am besten abschneiden? Oder wie geht es dann weiter?
Gute Kennzahlen alleine machen leider noch kein gutes Investment aus. Die Zahlen aus dem aktien.guide dienen der Ideenfindung, aber es bedarf einer weitergehenden klassischen Fundamentalanalyse, um die für mich passenden Investments zu finden. Da geht es dann im Detail um die Historie des Unternehmens, ist es organisch oder über Zukäufe gewachsen, wie ist seine Markt- und Wettbewerbsposition u.v.m. An dieser Stelle unterscheidet sich mein Vorgehen nicht von einem klassischen Value-Investor. Das Vertrauen ins Management spielt eine ganz große Rolle. Ich bevorzuge oftmals gründergeführte Unternehmen.
Mit der hohen Volatilität muss ich in einem reinrassigen 'Long-Only' Techaktien-Depot leben. Jede Art der Absicherung (und die damit verbundene Senkung der Volatilität) kostet langfristig Performance. Buchverluste wie derzeit sehe ich eher als Chance, um bei entsprechend hoher Überzeugung antizyklisch nachzukaufen.
Gibt es sonst noch Punkte, die Du Dir in einer weiterführenden Analyse anschaust?
Für mich ist die Zufriedenheit der Mitarbeiter wichtig, die kann man mit Portalen wie Glassdoor ganz gut tracken. Auch Daten wie Website-Traffic oder App-Downloads kann man mit entsprechenden Analyse-Tools wie Similarweb beobachten.
Gibt es bei der Auswahl von Aktien für Dich „No-Gos“ – wie etwa bilanzielle Risiken oder vielleicht ethische oder soziale Kriterien, die bei Nicht-Erfüllung ein Investment von vornherein ausschließen?
Ja. Generell versuche ich mich von Unternehmen fernzuhalten, die sich voraussichtlich nicht aus eigener Kraft durch eine eventuell bevorstehende Rezession hindurch finanzieren können. Positiver Cashflow oder der Weg dorthin ist für mich extrem wichtig. Ich habe zudem für mich beschlossen, nicht in die aktuellen Krisengewinner aus der Öl- und Rüstungsindustrie zu investieren.
Achtest Du bei der Auswahl auch darauf, dass die Branchen, Absatzmärkte oder die Größe der Unternehmen unterschiedlich sind, um das Klumpenrisiko zu verringern – oder lässt sich Klumpenrisiko bei Tech-Aktien ohnehin nicht vermeiden?
Ich führe mit dem wikifolio High-Tech Stock Picking ein reinrassiges Tech-Portfolio, das steht und fällt kurzfristig natürlich mit der Stimmung an den Technologiemärkten. Allerdings interpretiere ich den Tech-Begriff recht breit und neben Software-Unternehmen finden sich in meinem Portfolio auch Digital-Unternehmen aus verschiedenen Branchen wie Finanzen, Immobilien, Medien und Reisen.
Wie viele Titel sollten in einem Depot enthalten sein, damit Du Dich hinsichtlich Diversifikation wohl fühlst?
Derzeit enthält mein wikifolio 14 Unternehmen, Zielgröße sind 12-20 Einzelaktien. Das heißt, das ist einerseits ein hochkonzentriertes Portfolio aus Unternehmen, die ich wirklich gut kenne und intensiv beobachten kann. Andererseits achte ich im Rahmen meines Risikomanagements darauf, dass kein einzelner Wert mehr als 12 Prozent Gewichtung im Portfolio einnimmt.
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Welche Daten- oder Informationsquellen nutzt Du, um Aktien zu bewerten. Du siehst Dir ja vermutlich nicht Tausende Geschäftsberichte an, oder?
Neben dem aktien.guide arbeite ich fast täglich mit der US-Plattform Seeking-Alpha. Und dann habe ich eine ganze Reihe von Nachrichtendiensten, Blogs und Newsletter abonniert. Für gute Informationen gebe ich auch tatsächlich gerne gutes Geld aus.
Wie sicherst Du als „Long-Only“-Investor in der aktuellen Zeit Dein Depot ab? Oder nimmst Du Buchverluste einfach hin?
Mit der hohen Volatilität muss ich in einem reinrassigen 'Long-Only' Techaktien-Depot leben. Jede Art der Absicherung (und die damit verbundene Senkung der Volatilität) kostet langfristig Performance. Buchverluste wie derzeit sehe ich eher als Chance, um bei entsprechend hoher Überzeugung antizyklisch nachzukaufen. Ich habe nach ähnlichen Krisen mit hohen Drawdowns in 2002/2003 und 2007/2009 in den darauf folgenden Erholungsphasen mit sorgsam ausgewählten Qualitätsaktien erstaunliche Outperformance erzielt und setze darauf, dass sich dieser Teil der Geschichte wiederholt.
Tech-Aktien bei hoher Inflation und möglicherweise einer Rezession – kann das überhaupt gut gehen?
Es kommt auf den Einzelfall an: Viele Tech-Aktien verfügen über wiederkehrende Umsatzströme, die auch in einer Rezession nicht einfach abreißen, selbst wenn die Neukundengewinnung in diesem Umfeld schwierig ist. Für die Bewältigung der Inflation spielt die Preissetzungsmacht eine entscheidende Rolle: die besten Tech-Unternehmen sind in der Lage, die Kostensteigerungen in Form von Preiserhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben. Und viele Tech-Firmen versprechen ihren Kunden Effizienzsteigerungen, die gerade in der Krise mehr denn je nachgefragt werden.
Wie steht es aktuell um die Bewertung der Tech-Branche?
Tech-Aktien sind ausgehend von einer viel zu hohen Bewertung mittlerweile tief gefallen. Ich habe in den letzten Wochen Aktien für das Depot eingesammelt, die teilweise mehr als 80 Prozent seit den Höchstständen verloren haben. In einigen Fällen sehe ich da jetzt eine Übertreibung nach unten, aber das kann man nicht verallgemeinern. Viele ehemals gehypten Tech-Aktien werden ihre alten Höchststände wohl nie wieder sehen. Einige der besten Cloud-Unternehmen sind mir übrigens auch jetzt immer noch zu teuer.
Stefan, vielen Dank für das Gespräch.
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Disclaimer: Jedes Investment in Wertpapiere und andere Anlageformen ist mit diversen Risiken behaftet. Es wird ausdrücklich auf die Risikofaktoren in den prospektrechtlichen Dokumenten der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft (Endgültige Bedingungen, Basisprospekt nebst Nachträgen bzw. den Vereinfachten Prospekten) auf www.wikifolio.com, www.ls-tc.de und www.ls-d.ch hingewiesen. Die Performance der wikifolios sowie der jeweiligen wikifolio-Zertifikate bezieht sich auf eine vergangene Wertentwicklung. Von dieser kann nicht auf die künftige Wertentwicklung geschlossen werden. Der Inhalt dieser Seite stellt keine Anlageberatung und auch keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.