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„Apple kann man vermutlich immer kaufen, egal, wie teuer sie ist“

Viele Anleger leben mit ihren Investments nicht nur in der Vergangenheit, sie lassen sich dabei auch noch viel zu sehr von ihren Gefühlen leiten. Inflationsängste, Virusängste, Crash-Ängste - Börsianer fürchten sich ständig. Doch wozu eigentlich? Der schlimmste Fall tritt nur in den seltensten Fällen ein. wikifolio-Trader und Buchautor Christian Thiel über gute Aktien, schlechte Aktien, die Märkte und das typisch Deutsche: Die Angst.

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Christian, die Corona-Pandemie hat die Aktienmärkte fest im Griff. Technologie-Titel haben erneut ihre Stärke bewiesen und längst neue Hochs markiert, während die „Old Economy“ und konjunkturabhängige Werte vorerst noch auf der Strecke bleiben. So notiert etwa der marktbreite MSCI World immer noch deutlich unter Vor-Pandemie-Hoch. Kommt hier irgendwann ein Favoritenwechsel?

Christian Thiel ( sparstrumpf ): Wer die enormen Gewinne zum Beispiel bei den FAANG-Aktien (Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google-Mutter Alphabet, Anm.)  noch immer für ein zeitweiliges Phänomen hält, der lebt nicht in derselben Welt wie ich. Wir haben zehn Jahre mit starken Umsatz- und Gewinnsprüngen bei diesen Unternehmen hinter uns. Und wir haben zehn Jahre vor uns, in denen sie ebenfalls sehr gut verdienen werden. Und dann haben diese Unternehmen in der Krise auch noch profitieren können, während manche Unternehmen der „Old Economy“ wie zum Beispiel Flugzeugbauer oder Airlines mit dem Rücken zur Wand stehen. Und das ist noch nicht alles: Viele der bekannten Tech-Unternehmen sitzen auf unglaublich viel Cash. Und in der Krise ist Cash King.

Besonders dramatisch sieht es bei den Ölwerten aus. Sie erholen sich vom Corona-Crash nicht oder nur kaum. Haben die Branchenaktien überhaupt Chancen auf ein Comeback?

Wir haben den Gipfel der Ölnachfrage gesehen. Derzeit befinden sich die Ölförderer in einem Wettlauf, wer von ihnen überhaupt noch wie viel Öl in den Markt bringen kann und wird. Ein großer Teil der jetzt bekannten Reserven wird wohl im Boden bleiben. Das passiert nicht nur, weil die Welt weg will von den Emissionen die durch den Verbrauch von Erdöl entstehen. Der wichtigste Punkt sind die stark sinkenden Preise für Energie aus erneuerbaren Quellen. Irgendwann wird selbst Erdöl zum Preis von 10 Dollar, wie Saudi Arabien es liefern kann, nicht mehr konkurrenzfähig sein gegen Strom aus Solaranlagen. Für den Planeten ist das eine gute Nachricht. Für die Besitzer von Ölaktien dagegen ist es ein großes Problem.

Viele Anleger stellen sich die Zukunft als Verlängerung der Vergangenheit vor. Aber wenn das so wäre, dann würden wir immer noch Gaslicht nutzen und in Kutschen fahren. Das waren einmal sehr moderne Technologien. Bis etwas Neues kam und sie ersetzte.

Christian Thiel
sparstrumpf

Dein wikifolio Global Champions hat – anders als der breite Markt – das Vor-Krisen-Hoch bereits wieder erreicht und übertroffen. Das ist eine tolle Leistung, wenn man bedenkt, dass eine Investition nicht nur in Tech-Aktien erfolgt – und du eine „Buy-and-Hold“-Strategie fährst. Hast du einfach nur die besten Aktien gekauft oder wie ist dir das geglückt?

Ich achte auf globale Trends, die sich bereits als langfristige Trends etabliert haben. Bargeldloses Bezahlen zum Beispiel. Dieser Trend ist durch Mastercard vertreten. Oder der Trend zum Essen außer Haus, der im wikifolio mit Starbucks und Chipotle Mexican Grill vertreten ist. Oder der Trend zum Mini-Computer, den wir als Smartphone in der Hand halten oder als Smartwatch am Handgelenk tragen.

Chart

abc
cde

Kennzahlen

  • +222,5 %
    seit 13.01.2016
  • EUR 8.744.303,45
    Investiertes Kapital
  • +32,8 %
    Performance (1 J)
  • 16,9 %
    Volatilität (1 J)
Bestseller und Top 10-Trader

Du redest von Apple.

Ja. Apple ist der große Nutznießer dieser Entwicklung. Sie gestalten die Zukunft. Zur Apple Watch gibt es bis heute keinen ernsthaften Konkurrenten. Apple ist seinen Rivalen um Jahre voraus. Viele Anleger leben mit ihren Investments allerdings eher in der Vergangenheit. Coca-Cola war vor 30 Jahren ein enorm expansives Unternehmen. Das ist vorbei. General Electric laviert am Rande einer Insovenz herum. Exxon Mobil , BP und Shell sind angesichts der kollabierenden Ölpreise ein Schatten ihrer selbst und niemand weiß derzeit, ob sich die Ölpreise jemals wieder erholen können. Das haben viele Anleger ganz offensichtlich nicht begriffen. Sie stellen sich die Zukunft als Verlängerung der Vergangenheit vor. Aber wenn das so wäre, dann würden wir immer noch Gaslicht nutzen und in Kutschen fahren. Das waren einmal sehr moderne Technologien. Bis etwas Neues kam und sie ersetzte.

Apple ist dementsprechend im wikifolio Global Champions nicht nur vertreten, sondern aktuell das Schwergewicht. Auf deinem Blog Großmutters Sparstrumpf hast du Apple kürzlich als neues Procter & Gamble bezeichnet. Soll das heißen, Apple kann man immer kaufen, egal, wie teuer die Aktie ist?

Vermutlich schon. Bei 500 Dollar (splitbereinigt: 125 Dollar) hätte wohl auch ich ein wenig gezögert, zumal Apple an dem Punkt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 40 hatte. Das ist natürlich sehr hoch. Jetzt steht die Aktie wieder etwas günstiger bei 36 und hat ein erwartetes KGV (forward PE, Anm.) von nur 28. Ich habe immer noch 14 Prozent meines persönlichen Geldes in Apple liegen. Und im wikifolio ist das ganz genauso.

Generell hast du dein wikifolio etwas mehr auf Technologie ausgerichtet. Mit großen Namen, aber auch oft unbekannteren Titeln wie einer Crowdstrike oder Alteryx. Hat die Corona-Pandemie hier eine Rolle gespielt? Oder deine Wahrnehmung der Bedeutung von „Tech“ verändert? 

Fast alle diese Aktien habe ich lange vor der Corona-Krise gekauft. Meine Orientierung auf diese Technologietitel hat vor 18 Monaten begonnen – und sie hat dem Depot natürlich in der Krise sehr genutzt. High-Tech machte zu Anfang nur sieben Prozent des Depots aus. Nun erhöhe ich das langsam bis auf 15 Prozent. Ich habe seinerzeit gleich zehn High-Tech-Titel gekauft. Das ist ja eine ganz bekannte Strategie: Bei unsicheren Situationen ist es besser einen ganzen Korb zu kaufen. Einige der Titel werden enorme Gewinne einbringen. Andere werden sich durchschnittlich entwickeln. Und manche können durchaus komplett wertlos verfallen. Wer weiß das derzeit schon. Zusammen aber wird der Korb sich besser entwickeln als das Gesamtdepot. Bisher geht diese Annahme auf. Aber abgerechnet wird in einigen Jahren. Ich spiele nicht auf kurze Sicht.

Kann eine Aktie, die nicht irgendwo im Technologie-Bereich anzusiedeln ist, überhaupt noch zu den besten Aktien der Welt gehören?

Ja. Das ist möglich. Chipotle zeigt das. Auch Starbucks, Nike und John Deere  zeigen das. Menschen haben nun einmal eine große Zahl an Bedürfnissen und verbringen ihr Leben nicht nur mit dem Smartphone oder dem PC. Allerdings muss man eines klar sagen: Jedes Unternehmen, das sich dem Internet verschließt oder dem Vordringen von Software in unser Leben, wird es sehr, sehr schwer haben. John Deere ist sehr aktiv beim Einsatz von Drohnen und von Software in der Landwirtschaft. Nike baut immer stärker an einem direkten Draht zu den Konsumenten über das Internet. Starbucks hat seine App perfektioniert und Chipotle konnte in der Corona-Krise die Online-Verkäufe um 80 bis 100 Prozent erhöhen. Selbst ein Farbenhersteller wie Sherwin-Williams wird heute nach seiner Fähigkeit beurteilt, online zu bestehen und seine Kunden auf diese Weise zu erreichen. Daran wird sich in den nächsten Jahren in meinen Augen nichts ändern.

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Menschen, die Angst haben, kreisen in ihren Gedanken immer um den schlimmsten Fall. Der tritt aber nur sehr selten ein.

Christian Thiel
sparstrumpf

Anderes Thema: Die Nullzinspolitik der Notenbanken und die milliardenschweren Hilfsprogramme rufen offenbar Inflationsängste hervor – zumindest ist die Teuerung Thema. Müssen sich Anleger auf eine hohe Inflation oder gar eine Hyperinflation einstellen?

Wir hatten diese Diskussion auch nach der Wirtschaftskrise 2008/09. Wir hatten diese Ängste im Zuge der Eurokrise. Jetzt haben wir sie wieder. Mit der Realität haben solche Ängste nicht viel zu tun. In der Wirklichkeit muss die EZB mit fallenden Preisen im Euroraum fertig werden und muss wieder einmal eine Deflation verhindern. Vor der hat niemand wirklich Angst, obwohl sie viel gefährlicher ist, als eine moderate Inflation. Diese Ängste zeigen noch immer, dass Deutschland (und auch Österreich) im vergangenen Jahrhundert zwei Staatbankrotte hinter sich gebracht haben, in beiden Fällen aufgrund von verlorenen Kriegen. Einer dieser Staatsbankrotte, der nach dem 1. Weltkrieg, wurde durch Hyperinflation herbeigeführt. Das scheint Deutschen wie Österreichern noch heute nachzuhängen.

Trotzdem fragen sich Anleger sicherlich, wie sie ihr Geld vor Inflation schützen können. Wie legst du inflationssicher an? 

Aktien sind Sachwerte. Was sollte derzeit sicherer sein, als eine Aktie? Aktien sind zudem auch Beteiligungen an allden Ideen, die diese Unternehmen in Zukunft noch haben. Der menschliche Geist steht nicht still.

Die Corona-Krise, das ganze billige Geld und steigende Gold- und Bitcoin-Preise rufen wieder einmal auch Weltuntergangspropheten auf den Plan. Was sagst du zu alljenen, die den nächsten Börsencrash längst kommen sehen und dabei auch gleich eine Währungsreform und das Ende des Euro oder des US-Dollars heraufbeschwören?

Sie alle haben eine blühende Fantasie. Und sie spielen mit den Ängsten der Menschen. Nirgendwo in der Welt gibt es eine so große Zahl an Weltuntergangspropheten wie im deutschsprachigen Raum. Das ist das, was die Amerikaner gerne „german angst“ nennen.

Rückblickend auf den bisherigen Jahresverlauf 2020: Was hat sich geändert? Was haben wir gelernt?

Ich habe in der Krise nachgekauft – das Zertifikat auf mein wikifolio Global Tech-Champions . Diese Position steht bei mir mit sagenhaften 50 Prozent im Plus. Was soll ich also sagen? In einer Korrektur, in einem Bärenmarkt oder in einem Crash nachzukaufen, das ist eine der besten Strategien, um seinen Wohlstand zu mehren und den Markt zu schlagen. Darum geht es ja auch in meinem neuen Buch. Wem das zu gewagt ist, der sollte zu Sparplänen greifen und stur jeden Monat investieren.

Chart

abc
cde

Kennzahlen

  • +28,8 %
    seit 24.07.2019
  • EUR 391.870,73
    Investiertes Kapital
  • +19,4 %
    Performance (1 J)
  • 22,7 %
    Volatilität (1 J)
Christian Thiel goes Tech only!

Apropos neues Buch: „Schatz, ich habe Aktien gekauft!“ erschien gestern. Was dürfen Leser erwarten?

Es gibt viele spannende Geschichten rund um Aktien. Zum Beispiel die Warnungen von Warren Buffett vor dem überbewerteten Aktienmarkt im Jahr 1999. Oder sein Hinweis auf die extreme Angst der Amerikaner vor einem überbewerteten Markt im Jahr 1955 – die völlig unberechtigt war, wie wir heute wissen. Die Anleger sind viel zu oft von Gefühlen getrieben, Gefühlen, die mit der Realität nicht viel zu tun haben. Aber das hatten wir ja mit der Corona-Krise auch wieder. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Menschen, die Angst haben, kreisen in ihren Gedanken immer um den schlimmsten Fall. Der tritt aber nur sehr selten ein.

2020 war Corona – und damit für viele Menschen wahrscheinlich ein Jahr zum Vergessen. Wie wird 2021?

Die Wirtschaft wird sich voraussichtlich erholen. Ich gehe davon aus, dass sich die Überflieger des Jahres 2020 wie Apple oder Zoom im nächsten Jahr eher ausruhen werden. Mir soll das ganz recht sein. Der Markt kann nicht Jahr für Jahr um 20 bis 30 Prozent steigen. Das ist unrealistisch. Aber es kann auch gänzlich anders kommen. Wenn der Markt zu der Erkenntnis kommt, dass die niedrigen Zinsen, die das Jahr 2020 den Amerikanern gebracht hat, für viele Jahre bleiben werden, dann können wir auch im nächsten Jahr enorme Kursanstiege erleben. Wer derzeit die Aktie von Apple kauft, der bekommt eine Dividende von 0,71 Prozent und dank der großzügigen Aktienrückkäufe des Unternehmens eine Shareholder Yield von sechs Prozent. Wer amerikanische Staatsanleihen kauft, der darf bei 10jährigen Anleihen mit 0,66 Prozent rechnen. Das ist ein sehr deutlicher Unterschied.

Christian, es war mir eine Freude. Danke für das Gespräch.


Disclaimer: Jedes Investment in Wertpapiere und andere Anlageformen ist mit diversen Risiken behaftet. Es wird ausdrücklich auf die Risikofaktoren in den prospektrechtlichen Dokumenten der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft (Endgültige Bedingungen, Basisprospekt nebst Nachträgen bzw. den Vereinfachten Prospekten) auf www.wikifolio.com, www.ls-tc.de und www.ls-d.ch hingewiesen. Die Performance der wikifolios sowie der jeweiligen wikifolio-Zertifikate bezieht sich auf eine vergangene Wertentwicklung. Von dieser kann nicht auf die künftige Wertentwicklung geschlossen werden. Der Inhalt dieser Seite stellt keine Anlageberatung und auch keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.