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05.04.2018| Von: Astrid Schuch |

Genau zwei Jahre ist es her, dass wir mit dem Betriebswirt Simon Weishar aka Szew erstmals im Rahmen der TradersTalk-Reihe über seine wikifolios gesprochen haben. Nun ist sein Track Record aber deutlich länger und kann sich sehen lassen. In seinen Top-wikifolios „Szew Grundinvestment“ und „Szew Small Cap“ handelt er ausschließlich in Aktien und ist dabei trotz der aktuell unsicheren Phase annähernd voll investiert. Die Performance gibt ihm Recht. Im Gespräch erklärt er, wie er vorgeht und warum er derzeit auf der Suche nach Investments vor allem in China fündig wird. Auch macht er deutlich, warum Spekulationen über mögliche kurzfristige Kursschwankungen, zu jenen Spekulationen gehören, die er nicht eingeht. Viel Spaß beim Lesen!

wikifolio.com: Herr Weishar, Sie führen derzeit fünf investierbare wikifolios. Die größten, gemessen am investierten Kapital, sind Szew Grundinvestment“ und Szew Small Cap. Im Grundinvestment-wikifolio setzen Sie laut Handelsidee einmal auf Dividendentitel aber auch auf fundamental unterbewertete Turnaround-Kandidaten und zu einem kleinen Teil auf Small Caps mit Wachstumspotenzial. Was sind die Gründe für diesen flexiblen Ansatz?
Simon Weishar: Das wikifolio Szew Grundinvestment soll nach Möglichkeit immer mein privates Depot spiegeln. Daher ist es im Ansatz erstmal möglichst offen gestaltet, da ich privat nicht nur in einen speziellen Typ von Unternehmen investiere, sondern grundsätzlich vielen Unternehmen offen gegenüberstehe. Die speziellere Form habe ich dann in den anderen wikifolios, wie im Szew Small Cap, wo ich mich auf eine bestimmte Art von Unternehmen beschränke.

Was ist mit Turnaround-Kandidaten konkret gemeint?
Da ich auch ein eigenes wikifolio für Turnaround-Kandidaten habe, musste ich eine Art Definition für mich finden, was ich als Turnaround-Kandidat ansehe und was nicht. Ich habe mich dabei darauf festgelegt, dass es Unternehmen sein müssen, deren Kurs mindestens 40 Prozent vom Höchststand innerhalb der letzten drei Jahre gefallen ist. Dies spiegelt also nicht zwangsläufig eine schlechte Unternehmensentwicklung wider, sondern kann auch allein aufgrund von Marktreaktionen geschehen sein.

Wäre dann zum Beispiel Tesla ein Fall für Szew Grundinvestment?
Tesla erfüllt diese 40 Prozent-Marke zuletzt ziemlich exakt. Allerdings ist mein Investmentstil grundsätzlich immer fundamental ausgelegt und da steht Tesla meiner Meinung nach auch nach dem jetzigen Kursrutsch immer noch deutlich zu hoch und ist damit kein Kandidat für eines der wikifolios.

Bessere Investitionsmöglichkeiten außerhalb Deutschlands

Laut Handelsidee ist in Szew Grundinvestment geplant, vor allem auf Aktien aus Deutschland und der EU zu setzen. Aktuell befinden sich in dem wikifolio sechs Titel - vornehmlich aus China. Woran liegt das?

Ich halte immer nach den für mich fundamental günstigsten Werten Ausschau. Zum Zeitpunkt der Erstellung des wikifolios ließ der deutsche Markt noch deutlich höhere Bewertungen zu und daher bestand das wikifolio lange Zeit ausschließlich aus deutschen Werten. Nun stehen die meisten Kurse aber deutlich höher als zur Erstellung und ich halte das Chance-Risiko-Verhältnis vieler deutscher Werte nicht mehr für eindeutig positiv, so dass ich mich in anderen Ländern umschauen musste, um gute Investitionsmöglichkeiten zu finden. Die Bewertung chinesischer Titel ist aufgrund des dort starken Wachstums noch deutlich moderater, so dass ich aktuell diesen Markt bevorzuge.

szew-grundinvestment-wikifolio

Apropos: Das Chance-Risiko-Verhältnis ist für Sie nach eigener Aussage die wichtigste Grundlage für ein Engagement. Dahinter steht ein von Ihnen selbst entwickelter Algorithmus. Wie sieht der genau aus?
In meinem Algorithmus werden verschiedene Faktoren wie Fundamentaldaten und weichere Faktoren wie das Management mit einem Punktesystem bewertet. Am Ende entsteht eine ganzheitliche Betrachtung aller dieser Faktoren aufgrund der Gesamtpunktzahl in Verbindung mit der aktuellen Marktbewertung. Dadurch erhalte ich eine möglichst neutrale Einschätzung des Unternehmens im Hinblick auf die aktuelle Bewertung und kann damit Rückschlüsse auf das Chance-Risiko Verhältnis des Unternehmens ziehen.

Von den sechs Titeln, die derzeit im wikifolio Szew Grundinvestment vertreten sind, sind mir lediglich zwei bekannt: Alibaba und Tencent. Womit haben potenzielle Investoren es bei den anderen vier zu tun?
Alibaba und Tencent sind sicherlich bekannt, da beide zu den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt gehören. Die anderen Unternehmen sind vielleicht nicht so hoch bewertet, aber dennoch sehr erfolgreich in ihrer Branche und bis auf Cytosorbents alle deutlich mehr als eine Milliarde Dollar wert. Das größte Engagement im wikifolio, Bitauto, zum Beispiel ist so etwas wie das Autoscout24/mobile.de in China. Sie vermitteln neuerdings auch Autofinanzierungen und ermöglichen Leasing in China. Das Unternehmen macht bereits Umsätze von über einer Milliarde Dollar und wächst mit knapp 50 Prozent. 

Baozun, ebenfalls im wikifolio vertreten, ermöglicht es den westlichen Marken, einen Vertrieb in China aufzubauen und unterstützt sie dabei mit Software und Marketingkompetenz. Viele der bekanntesten westlichen Marken wie  Nike sind Kunden von Baozun. Das Unternehmen profitiert von der starken E-Commerce-Nachfrage in China und konnte den Warenwert, der über ihre Plattform abgewickelt wurde, im letzten Jahr grob verdoppeln. Ein weiteres Unternehmen, das ich im wikifolio halte, ist YY - einer der größeren Player in China, wenn es um Social Media geht. Mit mehreren Plattformen ermöglicht YY die Interaktion seiner Nutzer zum Beispiel per Video. YY hat mit Huya auch eine Social Plattform im Gamingbereich, die stark wächst und an der sich nun auch Tencent beteiligt hat. Zu guter Letzt: Cytosorbents. Dabei handelt es sich um ein Medizintechnik-Unternehmen aus den USA, die mit ihrem Cytosorb-Filter die Sepsis bekämpfen. Das Unternehmen wächst stark und macht einen großen Anteil seiner Umsätze auch in Deutschland. In meinen Wochenberichten kommentiere ich die Entwicklung der Unternehmen dann aber stets ausführlicher.

Wenn Chance-Risiko-Verhältnis angemessen ist, stimmt auch die Performance

In dem zweiten wikifolio, über das wir an dieser Stelle sprechen wollen, Szew Small Cap, handeln Sie vornehmlich in deutschen Werte, um nach eigener Aussage die Marktlage besser einschätzen zu können. Was bedeutet das konkret?
In Szew Small Cap habe ich mich von den handelbaren Werten tatsächlich nur auf diesen Markt beschränkt, so dass es hier gar nicht möglich wäre, amerikanische Werte aufzunehmen. Kleinere Unternehmen sind einfacher zu verstehen und zu bewerten, vor allem wenn sie hauptsächlich in Deutschland aktiv sind, wo man politische und regulatorische Veränderungen immer direkt mitbekommt. Das kann durchaus ein Vorteil gegenüber Werten im Ausland bzw ausländischen Investoren sein.

Auch hier achten Sie auf das Chance-Risiko-Verhältnis: Ist die Herangehensweise die gleiche wie bei Szew Grundinvestment?
Grundsätzlich haben beide wikifolios die gleiche Herangehensweise und in beiden wird das Chance-Risiko Verhältnis identisch ermittelt. Daher enthielten beide wikifolios zu Beginn auch meist ähnliche Werte, was sich nun erst änderte als mehr ausländische Werte ins Grundinvest-Musterdepot aufgenommen wurden.

Das wikifolio liegt auf Jahressicht über 50 Prozent im Plus, seit Jahresbeginn sind es gut 15 Prozent. Der SDAX konnte in den letzten 12 Monaten nur 18 Prozent zulegen und handelt seit Jahresanfang gerade so nicht im Minus. Gab es hier den einen oder anderen Trade, der besonders gut gelaufen ist oder woran kann man diese Outperformance festmachen?

In dem wikifolio „Szew Small Cap“ habe ich zuletzt meist nur wenige Werte gleichzeitig gehalten, da der Markt in der Breite nicht mehr so viele interessante Werte hergab. Dabei handelte es sich oft um Werte, die ohne ersichtlichen Grund kurzfristig stark unter Druck kamen, wie es bei Nebenwerten schon mal vorkommen kann. Durch diesen Kursverfall fielen sie wieder in einen Bereich, der für mich ein positives Chance-Risiko-Verhältnis darstellte, weshalb ich stärker einstieg. Dies lief zuletzt ziemlich gut, sodass die Performance nun auch besser ist als bei „Szew Grundinvestment“.

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Die größte Position im wikifolio ist Corestate Capital mit einem Anteil von gut 35 Prozent. Was spricht so stark für den Immobilienkonzern, um hier ein solches Engagement einzugehen?
Bei Corestate Capital ist es allein die fundamentale Bewertung, die inzwischen sehr günstig ist. Man notiert zu niedrigen Gewinnmultiples, wächst weiterhin deutlich und zahlt auch noch eine großzügige Dividende. Wenn es, wie aktuell, unruhig an den Märkten wird, fühle ich mich bei solchen Werten besonders wohl.

Generell fällt in beiden wikifolios die vergleichsweise geringe Anzahl der Werte auf. Sechs Aktien sind es im Grundinvestment, fünf im Small Cap. Ganz nach dem Motto: Keep it simple? 
Das ist nur aktuell der Fall. In Szew Small Cap waren es auch lange Zeit über 20 Werte und in Szew Grundinvestment sind es durchschnittlich etwa zehn. Ich mache das stets davon abhängig, was der Markt gerade für Chancen bietet. Wenn ich sechs Unternehmen finde, die sehr stark unterbewertet sind, warum sollte ich dann das siebte nehmen, das ich für nur wenig unterbewertet halte? Eine Konzentration von Werten ist zwar immer eine Chance besonders von deren Kursgewinnen zu profitieren, birgt aber auch die Gefahr, besonders zu leiden, wenn man mal falsch liegt. Daher habe ich mir zum Beispiel für Szew Grundinvestment auferlegt, immer mindestens diese sechs Werte zu haben, um eine zu starke Konzentration zu vermeiden.

Die positive Seite der Volatilität

Im ersten TradersTalk, den wir vor zwei Jahren geführt haben, haben Sie mitgeteilt, dass Sie sich bei der Titelauswahl eher darauf konzentrieren, Markt und Unternehmen zu verstehen. Das Wochenende, so Ihre Aussage, wird genutzt, um die Unternehmen zu analysieren, auf kurzfristige Kursbewegungen indes achten Sie weniger. Ist das immer noch so?
Ja, das ist immer noch so. Ich bin kein Charttrader, sondern konzentriere mich auf die fundamentalen Daten, das Geschäftsmodell und investiere daher eher antizyklisch. Kursbewegungen sind für mich insofern wichtig, als durch einen Kursrutsch ein Wert wieder in den grünen Bereich meines ermittelten Chance-Risiko-Verhältnis rutschen kann oder durch Kursgewinne aus diesem Bereich hinausfällt.

 

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"Ich versuche nicht den Markt vorherzusehen, denn das geht in der Regel schief. Ich konzentriere mich darauf, meine Strategie möglichst effektiv umzusetzen, um am Ende wie in der Vergangenheit Kapital aus der Volatilität zu ziehen."
wikifolio-Trader Simon Weishar aka "Szew" 

 

In beiden wikifolios haben Sie eine Investitionsquote von 100 Prozent, obwohl das Marktumfeld seit Februar recht schwierig ist. Wie gehen Sie mit der hohen Volatilität um bzw. mit den teils massiven Abverkäufen, die wir auch im Nebenwertebereich sehen?
Volatilität ist erstmal nichts Schlimmes und ich sehe sie als Investor eher positiv, denn sie bietet denjenigen günstige Chancen, welche in fundamental gute Unternehmen einsteigen möchten und Ruhe bewahren können. Natürlich geht das auch immer mit Kursverlusten des wikifolios einher, wenn man dabei voll investiert ist. Aber da man nie weiß, wann die Kurse wieder drehen, bin ich lieber voll investiert, wenn ich Unternehmen finde, die ich für deutlich unterbewertet halte. Eine Spekulation, dass dieses unterbewertete Unternehmen aufgrund weiterer Marktturbulenzen noch günstiger werden kann, gehört zu den Spekulationen, die ich nicht eingehe. Aufgrund der starken Volatilität ändern sich dann manchmal die Chance-Risiko-Verhältnisse (CRV) kurzfristig, sodass es auch mal zu schnellen und stärkeren Umschichtungen kommen kann, wenn der Kurs eines anderen Werts stark fällt und damit ein besseres CRV besitzt als die aktuellen Werte.

Wie schätzen Sie die Lage am Aktienmarkt derzeit ein? Womit müssen wir noch rechnen oder ist das Schlimmste schon vorbei?
Ob und wann das Schlimmste vorbei ist, weiß man immer erst hinterher. Ich versuche nicht den Markt vorherzusehen, denn das geht in der Regel schief. Ich konzentriere mich darauf, meine Strategie möglichst effektiv umzusetzen, um am Ende wie in der Vergangenheit Kapital aus der Volatilität zu ziehen.

Herr Weishar, danke für das interessante Gespräch.

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