Im Corona-Konjunkturprogramm der deutschen Bundesregierung ist unter dem Schlagwort „Nationale Wasserstoffstrategie“ zu lesen, dass rund neun Milliarden Euro investiert werden sollen, um Deutschland zu einer führenden Wasserstoff-Nation auszubauen. Geplant ist unter anderem der Bau von Wasserstoffproduktionsanlagen und -Tankstellen, sowie die Förderung des Einsatzes von Wasserstoff im Schwerlast- und Flugverkehr. Vom Wasserstoff-PKW ist im Konjunkturprogramm aber nicht die Rede.
Was bedeutet das nun für die Branche? Hat der Wasserstoff-PKW eine Zukunft? Gibt es Anwendungsbereiche der grünen Technologie, die wenig Beachtung finden? Und wie wirkt sich all dies auf die Bewertung von Wasserstoff-Aktien aus? Um diese Fragen zu klären, haben wir die beiden Top-Trader Stefan Krick (Stevox) und Arnd-Rüdiger Schwarz (ARMEGAS) zum Interview gebeten.
Wasserstoff-PKW als Nischenprodukt
Vor allem für große Familien oder Pendler mit weiten Strecken kann der Wasserstoff-PKW durchaus eine Alternative darstellen.
Im Konjunkturpaket liest man in Zusammenhang mit Wasserstoff von der Förderung des Schwerlasttransports und dem Flugbetrieb. Nach einer Förderung von Wasserstoff-PKW sucht man vergeblich. Danach gefragt, ob der Wasserstoff-PKW eine Zukunft hat, erklärt Krick: „Aufgrund der sehr viel höheren gravimetrischen Energiedichte (Energie pro Masse) im Vergleich zu Batterien führt Wasserstoff kaum zu einer Gewichtszunahme, wenn die Entfernung und das Fahrzeuggewicht bzw. die zu transportierende Ladung steigen. Der Wirkungsgradvorteil (Well-to-Wheel) von Batterien gegenüber Wasserstoff wird daher mit zunehmender Reichweite und Gewicht des Transportmittels immer geringer und dreht irgendwann zugunsten von Wasserstoff.“
Ein Wasserstoff-PKW macht laut Krick daher nur in bestimmten Anwendungsfällen Sinn - im urbanen Stadtverkehr und bei geringen Reichweiten sei die Batterie deutlich überlegen. Dennoch glaubt der Trader, dass der Wasserstoff-PKW eine Zukunft haben wird: „Wenn die Preise aufgrund von Skaleneffekten sinken, werden Wasserstoff-PKW auch für Privatpersonen erschwinglich. Vor allem für große Familien oder Pendler mit weiten Strecken kann der Wasserstoff-PKW durchaus eine Alternative darstellen.
Schwarz stimmt mit Krick überein und führt den aktuell hohen Preis von Wasserstoff-Pkws an: „Aktuell ist der Wasserstoff-PKW noch zu teuer. Ein Toyota Mirai kostet in Deutschland fast doppelt so viel wie ein Mittelklassewagen, und auch der Betrieb ist nicht wirklich günstig. Aber auch diese Technologie entwickelt sich weiter, wenngleich der Schwerlastverkehr für den Einsatz von Wasserstoff wahrscheinlich besser geeignet ist.“
Mobilität ist nur die halbe Miete
In der öffentlichen Debatte rund um das Thema Wasserstoff steht vor allem das Thema Mobilität und hier insbesondere das Wasserstoff-Auto im Mittelpunkt. Krick und Schwarz sind allerdings überzeugt, dass es weit mehr und zum Teil spannendere Anwendungsbereiche des Energieträgers gibt. „Beim Thema Wasserstoff denken viele zuerst an die Mobilität. Das liegt einfach daran, dass das Auto, vor allem in der Automobilnation Deutschland, omnipräsent ist. Doch für mich wird Wasserstoff in Zukunft in der Mobilität nur im Schwerlastbereich, also LKW, Schiffe, Flugzeuge, usw. eine signifikante Rolle spielen“, erklärt Krick.
Viel spannender sind für Krick die auf den ersten Blick weniger ersichtlichen Anwendungsbereiche: „In der Gebäudetechnik traue ich Wasserstoff und Brennstoffzellen noch viel zu und rechne mit einem deutlichen technologischen Fortschritt. Vor allem bei Kraft-Wärme-Kopplungs-Systemen (es wird gleichzeitig Strom und Wärme produziert) aus stationären Hochtemperatur-Brennstoffzellen können hohe Gesamtwirkungsgrade erzielt werden, welche deutlich über denen mobiler Anwendungen liegen. In Kombination mit Photovoltaik können so autarke und sich selbst versorgende Gebäude gebaut werden.“
Schwarz ergänzt: „Die „Power-to-X“-Technologie wird eine immer größere Rolle spielen. Die Speicherung von Stromüberschüssen aus erneuerbaren Energien ist die wohl sauberste Art, Wasserstoff zu nutzen. In Afrika produzierte Solarenergie könnte in Wasserstoff umgewandelt werden, der dann wiederum nach Deutschland transportiert werden könnte.“
Aber auch hierzulande hat die Speicherung von Stromüberschüssen eine große Bedeutung. Krick erläutert: „Aktuell wird in Deutschland pro Jahr ca. fünf Prozent des grün erzeugten Stroms abgeregelt, das heißt, die Energie geht einfach verloren, weil das Stromnetz überlastet ist. Hier könnten lokale Kraftwerke Wasserstoff erzeugen und so den Überschussstrom sinnvoll und unbegrenzt lange speichern.“
Wasserstoff-Aktien richtig bewerten
Der ganze Sektor ist kurzfristig etwas heiß gelaufen, das steht natürlich außer Frage. Aber jede Korrektur bietet auch wieder neue Chancen.
Wasserstoff als zukunftsträchtiges Investment-Thema ist nun schon länger kein Geheimtipp mehr. Ein Blick auf die Charts von
, , und Co. zeigt dies deutlich. Staatliche Investitionsprogramme und Großaufträge der Branchengrößen sorgten zuletzt regelmäßig für Euphorie unter Wasserstoff-Investoren. Bilanzseitig sieht die Situation allerdings weniger rosig aus. Von nachhaltigen Gewinnen ist die Branche noch weit entfernt. Was bedeutet das nun für die Bewertung der Aktien? Schwarz erklärt: „Viele Wasserstoffwerte sind ambitioniert bewertet, und bei so manchem Wert übertrifft der Börsenwert den Umsatz um das über 50-fache; und dennoch gibt es große Unterschiede. Während der europäische Wasserstoff-Sektor extrem teuer geworden ist, sind so manche nordamerikanischen Werte noch nicht massiv überbewertet.“Als Beispiel führt Schwarz die Aktie von Plug Power an: „Das Unternehmen könnte bereits in wenigen Jahren Gewinne erwirtschaften, und dass, obwohl zuletzt massiv in Übernahmen investiert wurde. Setzt sich die Wasserstoff-Technologie langfristig durch, dann ist Plug Power auch bei den aktuellen Kursen noch nicht zu teuer. Das Management sieht die Firmenumsätze im Jahre 2024 bei über einer Milliarde Dollar. Wenn man sich vor Augen führt, dass 2018 gerade einmal 175 Millionen Dollar umgesetzt wurden, kann man das Potenzial erahnen.“
Trotz seiner optimistischen Prognose ergibt sich für Schwarz keine Kaufempfehlung zu jedem Preis: „Der ganze Sektor ist kurzfristig etwas heiß gelaufen, das steht natürlich außer Frage. Aber jede Korrektur bietet auch wieder neue Chancen.“ Eine solche Korrektur hält Krick, zumindest in größerem Ausmaß, für unwahrscheinlich: „Trotz der starken Anstiege denke ich, dass wir erst am Anfang eines langfristen Aufwärtstrends stehen. Wer auf größere Rücksetzer wartet, den muss ich leider enttäuschen. Ich denke, dass frühere Kursniveaus von vor einem Jahr wohl nie wieder erreicht werden.“
Seinen Optimismus erklärt der Investor wie folgt: „Klar ist, dass keines der großen und bekannten Wasserstoffunternehmen Gewinne erzielt und dies wohl auch noch ein paar Jahre so bleiben wird. Die Frage ist: Wann ist eine Aktie überbewertet? Woran macht man dies fest? Gerne wird dafür das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) ins Feld geführt. Aktuell gibt es Unternehmen, die mit mehr als dem hundertfachen des letzten Umsatzes ziemlich „hoch“ bewertet sind, doch heißt das nicht automatisch „überbewertet“. Bei einer Umsatzverdopplung würde das KUV um die Hälfte sinken, bei einer Umsatzverdreifachung, welche ich einigen Unternehmen zutraue, würde es um zwei Drittel sinken. Aktuell preist der Markt genau solche Szenarien ein und das halte ich auch für richtig.“
Zukunfts-Vision oder gefährliche Träumerei?
Wasserstoff-Aktien spalten die Geister. Während viele Investoren die optimistische Markteinschätzung von Schwarz und Krick teilen, gibt es eine große Menge an Anlegern, die die Euphorie sehr skeptisch beäugen. Nicht wenige glauben gar an eine Blase, deren Platzen bevorsteht. Das aktuelle Voting auf wikifolio.com veranschaulicht die Kontroverse.
Welches Lager letzten Endes Recht behält, wird die Zukunft weisen. Sicher ist jedoch, dass sich risikobewusste Investoren durch breite Diversifikation schützen können. So verlockend die Renditechancen beim Investment in einzelne Aktien oder Branchen auch wirken mögen, es droht stets der Totalverlust.
Disclaimer: Jedes Investment in Wertpapiere und andere Anlageformen ist mit diversen Risiken behaftet. Es wird ausdrücklich auf die Risikofaktoren in den prospektrechtlichen Dokumenten der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft (Endgültige Bedingungen, Basisprospekt nebst Nachträgen bzw. den Vereinfachten Prospekten) auf www.wikifolio.com, www.ls-tc.de und www.ls-d.ch hingewiesen. Die Performance der wikifolios sowie der jeweiligen wikifolio-Zertifikate bezieht sich auf eine vergangene Wertentwicklung. Von dieser kann nicht auf die künftige Wertentwicklung geschlossen werden.