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10.09.2018| Von: Astrid Schuch |

Was Felix Hagmann aka „Zinseszins“ macht, ist schnell erklärt. Er investiert in jene Technologie-Unternehmen, die er für besonders aussichtsreich hält - seine „IT Leader“. Amazon oder Apple zählen aktuell nicht dazu. Warum, erklärt der Trader ausführlich im Gespräch. Natürlich verrät er auch, welche Aktien er sich stattdessen ins Depot holt und worauf es bei einer Investition in Technologie wirklich ankommt. Nur so viel: Ob die nächste iPhone-Generation ein Erfolg wird, ist nicht das Entscheidende. Hagmann ist in der Tech-Welt zu Hause. Das ist unüberlesbar. Viel Spaß dabei!

wikifolio.com: Herr Hagmann, Technologie und Börse – das war in den letzten Jahren eine Kombination, die lief, wie geschmiert. Beides vereinen Sie in Ihrem wikifolio „IT Leader“ seit April 2015. Was führte damals zu der Entscheidung, ein wikifolio zu erstellen?
Felix Hagmann (Zinseszins): Der Wunsch, meine im Privaten erfolgreiche Anlagestrategie anderen zugänglich zu machen. „Social Investing“ ist für mich ein Traum, der wahr geworden ist.

Die Performance seit der Emission des wikifolio-Zertifikats Anfang Dezember 2016 kann sich sehen lassen – ein Plus von knapp 90 Prozent steht zu Buche. Die US-Technologiebörse Nasdaq – als Highflyer unter den Indizes - kommt im gleichen Zeitraum nur auf rund 45 Prozent. Was ist das Erfolgsgeheimnis?  

Es ist das, was heute, im Zeitalter des indexorientierten Investierens, häufig in Zweifel gezogen wird, dass nämlich ein aktives Management einen echten Mehrwert bringt. Dieser äußert sich in einer Outperformance gegenüber dem Index wie dem Nasdaq.

Natürlich gehört auch ein wenig Glück dazu, aber eine gründliche Selektion der Unternehmen anhand der branchenspezifischen Fachkenntnis und ein Blick in die Bilanz sortiert bereits die meisten Indexmitglieder aus. Umso bedauerlicher, dass viele aktiv verwalteten Fonds schlechter abschneiden als der jeweilige Referenzindex.

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Dass „IT Leader“ bis dato so viel besser abschneidet, führe ich nicht zuletzt auf die völlig freie Gestaltbarkeit des Musterdepots zurück. Etwa bezüglich Gewichtung der Einzeltitel und tolerierter Volatilität im Portfolio müssen Fondsmanager häufig einem Anlageausschuss Rede und Antwort stehen, der die Anlagepolitik bestimmt. Ich hingegen kann auf wikifolio.com meinen langfristigen und konzentrierten Ansatz uneingeschränkt umsetzen, was einen enormen Vorteil darstellt.

Sie bezeichnen sich selbst eher als Investor denn Trader. Entscheidungen treffen Sie nach fundamentaler Analyse. Wie kann man sich so einen Prozess vorstellen? Vielleicht können Sie uns das kurz anhand von Wirecard erklären. Die Aktie des Mobile Payment-Anbieters ist ja aktuell ihr größtes Engagement im wikifolio. Was hat zur Kaufentscheidung geführt?
Wie genau man auf ein einzelnes Unternehmen kommt, läuft ja ganz unterschiedlich ab: Über Medienberichte, eigene Erfahrungen mit IT-Produkten oder der aktiven Suche in den entsprechenden Indizes. Manchmal hilft auch der Zufall. Letztlich hat man eine Liste mit Kandidaten. Für diese erstelle ich dann bei Bedarf jeweils eine Fallstudie, welche das Unternehmen aus allerlei Blickwinkeln beleuchtet, wie finanzielle Aspekte und Marktposition.

Hier einige Punkte aus meiner im Februar 2016 erstellten Fallstudie zu Wirecard:
- Kontinuierlich steigender Gewinn, Umsatz und Dividende
- Durch transaktionsbezogene Nutzungsgebühren sind die Erlöse im hohen Maße wiederkehrend
- Umsatzrendite über 17 Prozent
- Da der Markt insgesamt stark wächst, bieten sich für dieses gut geführte Unternehmen große Chancen
- Burggraben: Die Kombination aus Softwareanbieter und Bankdienstleister ermöglicht eine enge Bindung der Kunden.
- Wer hier investieren will, sollte allerdings warten, bis eine deutliche Korrektur (Kurs-Gewinn-Verhältnis für zurückliegendes Jahr weniger als 20) eingetreten ist

Solch eine Korrektur trat im Frühjahr 2016 durch die massiven Short-Seller-Attacken ein, in deren Folge der Kurs einbrach und die Position für „IT Leader“ zu einem attraktiven Kurs aufgebaut werden konnte.

IT Leader geht auch ohne Amazon, Apple oder Facebook

Wenn wir von „IT Leader“ sprechen, drängt sich an dieser Stelle eine Frage auf: Warum fehlt in dem Musterdepot von so klingenden Namen wie Amazon, Apple, Facebook oder Microsoft jede Spur?
Amazon ist schwer zu bewerten, da es lange Zeit fast alle Gewinne in die Geschäftsausweitung investiert hat. Außerdem ist die Profitabilität im Onlinehandel nur gering. Der wirklich profitable Bereich bei Amazon ist Amazon Web Services (AWS, die Cloud-Services vorwiegend für Unternehmen). Der in dieser Sparte erzielte Gewinn macht, auch wenn er stark wächst, noch weniger als ein Prozent des Börsenwertes aus. Amazon ist also zwar ein tolles Unternehmen, aber aus meiner Sicht eben nur teilweise ein IT-Unternehmen und letztlich zu unprofitabel.

Bei Facebook gefällt mir der Umgang mit dem Datenschutz traditionell nicht. Microsoft ist erst in den letzten paar Jahren mit Windows 10, Office365 und der Azure-Cloud wieder voll auf Wachstum eingeschwenkt. Davor lagen viele eher bleierne, innovationsarme Jahre. Apple ist schon etwas länger sehr gut ausgerichtet und profitabel, profitiert auch von Plattformeffekten (AppStore, iTunes, etc.), doch findet das Wachstum zunehmend über den Preis und weniger über die Zahl der abgesetzten iPhones statt. Ich sehe daher das Risiko einer Wachstumsabschwächung, da der Preis langsam seine Grenzen erreicht.

Was sich aber stattdessen in dem wikifolio wiederfindet, sind altbekannte Namen wie SAP oder Adobe, die man intuitiv vielleicht nicht als „IT Leader“ der ersten Reihe bezeichnen würde. Was macht sie zu einem so attraktiven Investment?
Im Gegensatz zu den zuvor genannten Firmen bieten SAP und Adobe eine konsistente, langfristige Marktposition und Erträge, die man klar und einfach finanziell bewerten kann. Beide Firmen sind vor allem im B2B-Segment tätig und haben schon sehr lange hohe Marktanteile. Ein Wettbewerbsvorteil bei SAP sind die hohen Wechselkosten bei SAP-Kunden. Bei Adobe gefällt insbesondere seit der Transformation hin zu den Cloud-Abos das enorme Wachstum bei Umsatz und Gewinn im hohen zweistelligen Bereich, was zeigt, dass die Produkte sehr begehrt sind.

Bei beiden Unternehmen habe ich hinsichtlich der Zukunftsaussichten erheblich weniger Bedenken, als etwa bei Facebook oder Apple. SAP etwa hat durchaus kostspielige Fehler gemacht, zum Beispiel mit der über lange Jahre unklaren, mehrgleisigen Produktpolitik im BI-Bereich (mit den Produkten arbeite ich selbst), doch das enorme Standing im Bereich ERP-Software (Enterprise-Resource-Planning, Anm.) bügelt so etwas wieder aus: Die B2B-Kunden bleiben trotzdem bei der Stange.

Wirklich wichtig sind die Entwicklungen, die hinter IT-Produkten stecken

Gerade im Bereich Technologie finden Veränderungen relativ schnell statt. Stichwort: AI, Robotik, Internet of Things, und und und. Da fällt es vielen sicher schwer mitzuhalten. Wie behält man im Technologie-Sektor den Überblick darüber, was wirklich wichtig ist? 
Es gibt so viele Offline- und Online-Publikationen, die sich mit diesen Themen beschäftigen - sich breit zu informieren sollte heutzutage nicht schwerfallen, mit gezielten Google News-Recherchen oder Portalen wie Heise.de oder bei Börse Online. Wirklich wichtig sind aus meiner Sicht nicht die kurzfristigen Trends und Neuigkeiten, sondern die dahinterliegenden Entwicklungen, wie zum Beispiel „Deep Learning“, das hinter vielen modernen IT-Produkten steckt, was für unseren „IT Leader“ Nvidia immer wichtiger wird.

Nun laufen Technologie-Titel wie eingangs bereits erwähnt ja seit geraumer Zeit recht gut. Nur logisch, dass es mittlerweile auch eine Reihe an wikifolios gibt, die sich Tech auf die Fahnen geheftet haben. Wie versuchen Sie sich hier von den anderen wikifolio-Tradern abzusetzen?
Die Frage ist für mich selbst natürlich interessant, aber die Antworten darauf kann ich leider im Detail nicht öffentlich machen. Ich denke jedoch, dass ich mich durch die möglichst stringente Umsetzung der von mir häufig erwähnten Prinzipien von der Mehrzahl der IT- oder Tech-Portfolios abhebe.

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"Auch wenn sich der Preis einer Aktie an der Börse jeden Tag ändert, gilt dies nicht für ihren Wert. Ständig Verkaufs- und Kaufentscheidungen zu treffen, das ist aus meiner Sicht ein Risiko. Wenn es an den Börsen mal wieder richtig abwärts geht, sollten Anleger eher ans Kaufen als ans Verkaufen denken."
wikifolio-Trader Felix Hagmann aka Zinseszins 

 

Noch eine Frage zum Risikomanagement: Bleiben Sie auch dann investiert, wenn es zum Beispiel an den Börsen mal schwieriger wird? Nehmen Sie Buchverluste in Kauf, wenn sich an Ihrer Einschätzung zu den Aktien nichts ändert?
Genau so ist es. Auch wenn sich der Preis einer Aktie an der Börse jeden Tag ändert, gilt dies keineswegs für den Wert der Aktie. Ständig Verkaufs- und Kaufentscheidungen zu treffen, das ist aus meiner Sicht ein Risiko. Wenn es an den Börsen mal wieder richtig abwärts geht, sollten Anleger eher ans Kaufen als ans Verkaufen denken!

Ein Top-Pick für viele Jahre

Wie lange kann die Tech-Rallye noch weitergehen?
Bei den Aktien, die vernünftig, also wachstumsgerecht, bewertet sind, ist es die Rallye der Gewinne, die den Takt vorgibt. Aktien von Unternehmen mit stabilem, kräftigem Ertragswachstum werden mittel- und langfristig weiter steigen.

Welche Ziele verfolgen Sie nun mit dem wikifolio im weiteren Verlauf? Bzw. womit wären Sie zufrieden?
Zufrieden wäre ich, wenn beim nächsten Abschwung viele Anleger ihre Position im „IT Leader“ antizyklisch deutlich aufstockten. Quantitative Ziele setze ich mir nicht, eher qualitative, nämlich weiterhin ein ausgewogenes Portfolio zu erreichen, in dem alle Unternehmen zur Wertsteigerung beitragen. Denn selbst wenn alle Werte deutlich im grünen Bereich sind, hat doch irgendeiner die rote Laterne. Aktuell ist Cancom unter Beobachtung: Der relativ kurzfristige Vorstandswechsel während eines Übergangsjahres erscheint mir nicht optimal. Das Ziel ist, rechtzeitig den Punkt zu erkennen, wo die Risiken für uns zu groß werden. Ein weiteres Ziel ist, die Cash-Quote wieder auf einen höheren Stand zu bringen.

Wenn Sie heute eine Aktie kaufen müssten, um sie dann über mehrere Jahre zu halten, welche wäre es?
Ich wähle natürlich innerhalb der „IT Leader“, und zwar Bechtle, aufgrund des gleichförmig und organisch wachsenden Geschäfts. Hier kann man wirklich ruhig schlafen, Bechtle sollte weiterhin den IT-Systemhaus- und -Dienstleistungsmarkt aktiv konsolidieren.

Auf die Umsetzung welcher technischen Entwicklung sind Sie besonders gespannt?
Weg vom Smartphone, hin zu Smartglasses. Computer müssen wie Kleidung tragbar sein und in unsere Wahrnehmung mehr oder weniger nahtlos integriert werden. Auch wieder so ein Grund, warum ich bei Apple vorsichtig bin, denn es ist alles andere als sicher, dass man die Dominanz auf dieses Produkt übertragen kann.

Welches war Ihre härteste Lektion, die Sie am Markt erfahren mussten?
Während der Finanzkrise im Herbst 2008 nicht genügend liquide Mittel gehabt zu haben, um zu den Ausverkaufspreisen einzukaufen.

Welche Ratschläge würden Sie einem Einsteiger mit auf den Weg geben?
Nur wer sich wirklich für Unternehmen interessiert, sollte in Einzelaktien investieren - alle anderen lieber in wikifolios, Fonds und ETFs.

Herr Hagmann, vielen Dank für das Gespräch.

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